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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 13.03.2006
Aktenzeichen: 5 WF 225/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 620
ZPO § 620 b
ZPO § 620 f
ZPO § 644
ZPO § 767
1. Die einstweilige Anordnung nach § 644 ZPO ist in ihrer Reichweite auf den Gegenstand des Hauptsacheverfahrens beschränkt.

2. Sofern die Hauptsache auf Trennungsunterhalt gerichtet ist, entfällt deswegen - anders als bei einer Anordnung nach § 620 Nr. 6 ZPO - mit Rechtskraft der Scheidung die Grundlage dieser einstweiligen Anordnung.

3. Sofern in einem Trennungsunterhaltsverfahren eine einstweilige Anordnung nach § 644 ZPO erlassen und vor Abschluss dieses Rechtsstreits die Ehe geschieden wurde, ist für die Zeit danach entweder auf Antrag die einstweilige Anordnung wegen Erlöschens des Anspruchs auf Trennungsunterhalt gemäß § 620 b ZPO aufzuheben oder - jedenfalls bei Ablehnung der Aufhebung nach § 620 b ZPO - mit der selben Begründung die Vollstreckungsabwehrklage gegeben.


Gründe:

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Kosten eines zwischen den Parteien am 10.08.2005 in vorliegender Sache geschlossenen Vergleichs, mit dem auch das Parallelverfahren 53 F 321/04 UE (früher 54 F 184/04 UE) in der Hauptsache miterledigt worden ist, gegeneinander aufgehoben und im Übrigen der Beklagten die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits (Vollstreckungsabwehrklage) auferlegt.

Die Parteien waren miteinander verheiratet. Während der Trennungszeit machte die Beklagte am 2. März 2004 beim Amtsgericht Büdingen zunächst eine Stufenklage auf Ehegattenunterhalt anhängig (das Aktenzeichen lautete anfangs 54 F 184/04 UE, später 53 F 321/04 UE) und stellte am 16. März 2004 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 644 ZPO mit dem Ziel, ab März 2004 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von EUR 750,- zu erhalten. In der Begründung dieses Antrags "nach § 644 ZPO" heißt es u.a. ausdrücklich, unter dem (damaligen) Aktenzeichen 54 F 184/04 UE sei eine "Unterhalts-Stufenklage auf Zahlung von Getrenntlebensunterhalt" anhängig. Im weiteren wird ausgeführt, warum die Erhebung einer Stufenklage notwendig sei und eine vorläufige Unterhaltsberechnung angestellt. Vorgerichtlich hatte die Beklagte im Februar 2004 Auskunft verlangt und monatlich EUR 1.000,- Unterhalt angemahnt. Mit Beschluss vom 18. Juni 2004 wurde der Kläger (des vorliegenden Verfahrens) im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von EUR 522,- verpflichtet. Seine ebenfalls im o.g. Parallelverfahren dagegen gerichtete negative Feststellungswiderklage vom 24. Juni 2004 wurde durch rechtskräftiges Teilurteil vom 11. Oktober 2004 abgewiesen. Am gleichen Tage wurde in einem weiteren Parallelverfahren die Ehe der Parteien rechtskräftig geschieden. Darauf stellte der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 im Rahmen des vorgenannten einstweiligen Anordnungsverfahrens den Antrag, den Beschluss vom 18. Juni 2004 dahingehend abzuändern, dass seine Unterhaltsverpflichtung ab dem 1. November 2004 entfalle. Durch weiteren Beschluss vom 31. Januar 2005 wies das Amtsgericht diesen Antrag als unzulässig zurück und erteilte den Hinweis, dass der Kläger sein Begehren im Wege der Vollstreckungsabwehrklage hätte verfolgen müssen. Demzufolge hat der Kläger im vorliegenden Verfahren nunmehr die Klage mit den Anträgen erhoben, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts vom 18. Juni 2004 für unzulässig zu erklären und die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses zu verurteilen. Der parallele Unterhaltsrechtsstreit 53 F 321/04 UE wurde in der Hauptsache nach vorangegangener Verurteilung des Klägers zur Auskunft (Teilanerkenntnisurteil vom 3. Mai 2004) mit dem Klageantrag vom 14.06.2005 beziffert. Danach sollte der Kläger an die Beklagte noch einen "rückständigen Getrenntlebendenunterhalt" für die Zeit von Februar 2004 bis Oktober 2004 in Höhe von (insgesamt) EUR 1.341,- zahlen (unter Berücksichtigung der ab März 2004 monatlich gezahlten EUR 522,-). Auf die Geltendmachung dieses Rückstandes verzichtete die Beklagte in dem später abgeschlossenen Vergleich. Der Kläger verpflichtete sich jedoch in diesem Vergleich, an die Beklagte für September 2005 bis Dezember 2005 monatlich EUR 475 nachehelichen Unterhalt zu zahlen, die Beklagte verzichtete auf weiteren nachehelichen Unterhalt ab Januar 2006. Die Vollstreckungsabwehrklage wurde übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Parteivertreter regten daraufhin an, den Vergleichswert um das Zwölffache von EUR 475 höher anzusetzen als die addierten Streitwerte der beiden Verfahren, die Kostenentscheidung solle das Gericht treffen.

Gegen die getroffene Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten wendet sich diese mit der rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde. Sie wendet ein, es sei ihr unbegreiflich, wie das Amtsgericht dazu komme, ihr Begehren im Parallelverfahren sowohl in der einstweiligen Anordnung als auch in der Hauptsache als auf "Getrenntlebendenunterhalt" gerichtet anzusehen, denn die gestellten Anträge beinhalteten eine Beschränkung auf die Dauer des Getrenntlebens nicht. Gegenstand der einstweiligen Anordnung sei der zeitlich unbeschränkte Anspruch der Beklagten auf Zahlung von Unterhalt gewesen.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 91a Abs. 2 ZPO zulässig, in der Sache jedoch aus den auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Vollstreckungsabwehrklage des Klägers voraussichtlich Erfolg gehabt hätte, weil die einstweilige Anordnung nach § 644 ZPO im konkreten Fall durch die Reichweite des Hauptsacheverfahrens auf Trennungsunterhalt beschränkt war und deswegen - anders als bei einer Anordnung nach § 620 Nr. 6 ZPO - mit Rechtskraft der Scheidung am 11.10.2004 ihre Grundlage entfallen ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war Gegenstand der Klage des Parallelverfahrens 53 F 321/04 tatsächlich nur der Trennungsunterhalt. Das folgt bereits unzweifelhaft aus der oben wiedergegebenen eigenen Bezeichnung des Verfahrensgegenstandes durch die Beklagte in der Antragsschrift des zugehörigen EA-Verfahrens nach § 644 ZPO. Außerdem wäre der nacheheliche Unterhalt angesichts des bereits laufenden Scheidungsverfahrens gemäß § 623 Abs. 1 ZPO zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich nur als Folgesache im Scheidungsverfahren geltend zu machen gewesen. Später wird in dem Rechtsstreit auch nur rückständiger "Getrenntlebendenunterhalt" beziffert. Schließlich haben beide Parteivertreter dies noch in der mündlichen Verhandlung am 10.08.2005 zutreffend und übereinstimmend so beurteilt, denn anders wäre die richtige Anregung, dass der dort über den Verfahrensgegenstand hinaus mitverglichene nacheheliche Unterhalt mit zusätzlich 12 * EUR 475,- (nur) für den Vergleichswert zu bewerten sei, gar nicht nachvollziehbar gewesen. Da das Amtsgericht dies offenbar versehentlich unterlassen hat, hat der Senat gemäß § 63 Abs. 3 GKG nun den vom Amtsgericht festgesetzten Vergleichswert entsprechend um diese EUR 5.700,- angehoben.

Das Amtsgericht hat im weiteren zutreffend ausgeführt, dass die ausdrücklich nach § 644 ZPO beantragte und erlassene einstweilige Anordnung nach allem auf den Trennungsunterhalt beschränkt war. Zwar ist es zutreffend, dass einstweilige Anordnungen nach § 644 ZPO auch auf nachehelichen Unterhalt bezogen erlassen werden können, dann bedarf es jedoch - anders als für einstweilige Anordnungen nach § 620 ZPO - auch einer zugehörigen Hauptsacheklage auf nachehelichen Unterhalt, die hier, wie ausgeführt, gerade nicht erhoben war. Einstweilige Anordnungen nach § 644 ZPO müssen nämlich immer mit der Hauptsacheklage, die sie zur verfahrensrechtlichen Grundlage haben, deckungsgleich sein (Giesler, Vorläufiger Rechtsschutz in Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, 3. Auflage, Rn. 551, ebenso 4. Auflage, bearbeitet von Soyka, Rn. 538; Zöller/Philippi, ZPO, § 644, Rn. 1 und 9 a; Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts, FA-FamR, 4. Auflage, 6. Kap., Rn. 597 b; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 2000, 362; Garbe, FamRB 2004, 161 f.).

Sofern in einem Trennungsunterhaltsverfahren eine einstweilige Anordnung nach § 644 ZPO erlassen und - wie hier - vor Abschluss des Rechtsstreits die Ehe geschieden wurde, ist entweder auf Antrag die einstweilige Anordnung wegen Erlöschens des Anspruchs auf Trennungsunterhalt gemäß § 620 b ZPO aufzuheben (so Gerhardt, FA-FamR a.a.O., Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 26. Auflage, § 644, Rn. 5) oder mit der selben Begründung die Vollstreckungsabwehrklage gegeben (Zöller/Philippi a.a.O., Rn. 12b). Gießler (a.a.O., 3. Auflage, Rn. 561) hält beide Rechtsbehelfe für möglich. Wenn Soyka (in Gießler/Soyka, a.a.O., 4. Auflage, Rn. 566 am Ende) nunmehr im Abschnitt zu den "Besonderheiten der eAO nach § 644 ZPO" demgegenüber ausführt, die Vollstreckungsabwehrklage gegen eine eAO wegen "Ehegattenunterhalts" könne nicht auf Scheidungsrechtskraft gestützt werden, weil eine solche Anordnung, die keine zeitliche Befristung enthalte, auch nach Scheidungsrechtskraft fort gelte, liegt offensichtlich ein Versehen insoweit vor, als diese Passage (ebenso wie der letzte Satz der Rn. 555) in der Neuauflage aus dem Abschnitt über die "Besonderheiten der eAO nach § 620 Nr. 4, 6 ZPO" herausgenommen und in den Abschnitt zu § 644 ZPO übernommen worden ist, denn zum einen betreffen die zugehörigen Zitate (bei Rn. 566, Fußnote 164, OLG Köln, FamRZ 1997, 1093, bzw. bei Rn. 555, Fußnote 126, van Els, FamRZ 1990, 581 f.) eine Entscheidung bzw. eine Anmerkung zu § 620 ZPO aus einer Zeit, als § 644 ZPO noch nicht eingeführt war, und zum anderen führt Soyka an anderer Stelle dieser Neuauflage (Rn. 553) weiterhin aus, dass "die eAO nach § 644 endet, wenn auch der Unterhalt der Hauptsache ausläuft" und dies für den Trennungsunterhalt bedeute, "dass die eAO mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wirkungslos wird." Letzteres ist allerdings insoweit missverständlich formuliert, als zwar - wie ausgeführt - in diesen Fällen der zugrunde liegende Unterhaltsanspruch erlischt, nicht jedoch die einstweilige Anordnung wie nach § 620 f ZPO außer Kraft tritt.

Das Amtsgericht hat dem Kläger hiernach zu Recht den Weg über die Vollstreckungsabwehrklage eröffnet. Selbst wenn man jedoch in einem solchen Fall grundsätzlich der Aufhebung gemäß § 620 b ZPO zunächst den Vorzug geben wollte (so u.a. Gerhardt a.a.O.), wäre speziell vorliegend zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht im Parallelverfahren einen darauf gerichteten Antrag mit Beschluss vom 31.01.2005 unter Hinweis auf die nach seiner (damaligen) Auffassung allein zulässige Vollstreckungsabwehrklage bereits einmal zurückgewiesen und damit jedenfalls für den Kläger die einfachere der beiden grundsätzlich bestehenden Möglichkeiten hier ausgeschlossen hat.

Der Senat folgt letztlich im Ergebnis auch den Erwägungen des Amtsgerichts, mit denen es die durch den abgeschlossenen Vergleich entstandenen Kosten ausgesondert und gegeneinander aufgehoben hat. Dieses Ergebnis entspricht ebenfalls der Billigkeit im Sinne von § 91 a ZPO, denn mit dem Vergleich wurde nicht nur der vorliegende Rechtsstreit, der voraussichtlich zugunsten des Klägers ausgegangen wäre, und das Parallelverfahren, in dem die Beklagte überwiegend obsiegt hätte, erledigt, sondern auch über den Verfahrensgegenstand beider Prozesse hinaus (s.o.) der nacheheliche Unterhalt teils zusprechend, teils durch Verzicht der Beklagten geregelt. Der vom Amtsgericht deswegen herangezogene Gesichtspunkt einer "Gesamtbereinigung", die nach billigem Ermessen für eine Kostenaufhebung hinsichtlich der Kosten des Vergleichs spreche, ist nach allem bei der Abwägung sachgerecht.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 97 Abs.1 ZPO. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 Abs. 2 und 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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